KrimiZEIT-Bestenliste in ZEIT und NordwestRadio  für Juli 2012, Teil



Elisabeth Römer 

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) –Auch noch dabei sind David Ignatius mit DER DEAL vom Rowohlt Verlag auf Platz 9 und Matthew Stokoe mit HIGH LIFE aus dem Verlag Arche. Letzterer hat einen dramatischen Abstieg hinnehmen müssen. Vom dritten Platz in der Juni KrimiBestenListe gerade noch auf den 10. gerutscht. Wie so etwas kommt? Das haben wir immer wieder mal thematisiert.

 

In der Jury kann nicht jeder alles gelesen haben, bei den neuen Krimis erst recht nicht. Es werden die Punkte verteilt und addiert und da kann es dann kommen, daß sich durch das Punkteverteilen vieler ein Anfangserfolg verliert, wie hier, - dafür ist er aber auch das dritte Mal dabei! - oder daß sich aus einem hinteren Platz ein Krimi erhebt wie der Phönix aus der Asche, wie es Fred Vargas mit DIE NACHT DES ZORNS aus dem Aufbau Verlag ging, der nun aber wieder abgeschlagen auf Platz 7 mitgeschleppt wird.

 

Harte Kost dieses HIGH LIFE und wir geben echt zu, daß wir manche Passagen einfach nicht lesen konnten und rasch überlasen, denn, wenn es in den Krimis auch keine Totenruhe gibt, dann doch so etwas wie Unterbleiben von abartigem Umgang mit ihnen. Mag ja sein, daß es solche Perversitäten gibt auf der Welt, mag auch sein, daß die sich alle bündeln in den Vereinigten Staaten, aber das wurde uns einfach zu viel. Anders sieht es mit dem Krimipersonal aus, das so zwielichtig wie aberwitzig unser Interesse wach hielt. Außerdem lernt man viel übers Leben. Was meist reiche Leute so an mitternächtlichen Inszenierungen von Drogen und Sex und M-S-Spielen brauchen. Beispielsweise. Aber auch, was das ist, wenn da einer Karriere machen will und sich als Vorbild Brad Pitt nimmt.

 

So einfach ist das ja nicht, meine Herren. Immerhin hat dieser Frau und viele Kinder. Und immerhin ist dieser Unhold Jack, den nur Böswillige oder Ignoranten Jake nennen – fällt Ihnen das auch auf, wie oft die schludrige Namensverwechselung ein topos in Krimis ist? - immerhin ist dieser Jack auf der Suche nach dem Mörder seiner Hurenfrau Karen, nachdem der durchgeknallte richtige Polizist namens Ryan, wenngleich kein Mordermittler, sich als Liebhaber der Ehefrau Karen herausstellt, doch eher Kunde, dieser aber nun die Suche beginnt, der sich zögerlich, aber durchdringend Jack mit seinen Mitteln anschließt, überschießt.

 

Kommen wir zu den Neuplazierten, über die wir noch nicht viel wissen, die aber alle auf Anhieb vordere Plätze einnehmen. Auf dem 3. Rang steht Sara Gran mit DIE STADT DER TOTEN aus dem Verlag Droemer. Da geht es um New Orleans und das Katrina Chaos. Auf dem fünften Platz liegt Tana French SCHATTENSTILL, herausgegeben vom Scherz Verlag. In Dublin spielt das Familiendrama, das mit toten Kindern, totem Vater und schwerverletzter Mutter beginnt. Wie es endet das nächste Mal. Dieser Krimi hat sehr schnell Besprechungen in deutschen Zeitungen gefunden. Ähnlich geht es George Pelecanos, neu und auf dem achten Platz. EIN SCHMUTZIGES GESCHÄFT verlegt der Rowohlt Verlag und läßt ebenfalls einen Irakveteranen nach Verschwundenem suchen. Allerdings direkt in den USA, wo das Übel auch herkommt und bleibt.

 

Die KrimiZEIT-Bestenliste Juli 2012

 

 

 

 

Lfd.

Nr.

Rang

Vor-monat

Titel

1

1

(-)

Daniel Woodrell: Der Tod von Sweet Mister

Aus dem Englischen von Peter Torberg

Liebeskind, 192 S., 16,90 €

West Table, Ozarks, Missouri. Shug ist 13, dick und betet seine Mom Glenda an. Shug ist ihr „Sweet Mister“. Stiefvater Red klaut, dealt, prügelt. Proll-Family vor der Implosion. Shug wird älter, klug und härter. Sein Tag kommt. Woodrells Country Noir: Kein Sonnenstrahl gelangt zwischen die Zeilen, pure Sprachgewalt.

2

2

(2)

Peter Temple: Tage des Bösen

Aus dem Englischen von Sigrun Zühlke

C. Bertelsmann, 432 S., 14,99 €

Hamburg/London/Johannesburg. Beim Versuch, ein Video mit einer Massakerszene zu verkaufen, gerät Bodyguard Niemand ins Visier der Täter. Datenhändler Anselm soll ihn schnappen helfen - und stößt auf das Trauma der eigenen Biografie. Rasant, komplex: Meisternarrativ über Verdeckung, geheime Kriege und Spionage vor 9/11.

3

3

(-)

Sara Gran: Die Stadt der Toten

Aus dem Englischen von Eva Bonné

Droemer, 368 S., 14,99 €

New Orleans, 2007. Staatsanwalt Vic Willing ist im Katrina-Chaos verschwunden. Claire de Witt, beste Privatdetektivin der Welt, klärt auf: mit Scharfblick, Drugs, Träumen und Jacques Silettes mythischer Detektiv-Bibel. Happy End gibt’s nicht, nicht in New Orleans. Rausch + Klarheit = Gran. Unglaublich gut.

4

4

(4)

Don Winslow: Die Sprache des Feuers

Aus dem Englischen von Chris Hirte

Suhrkamp, 419 S., 14,99 €

Dana Point 1997. Brandschadenregulierer Jack Wade weiß, dass Immobilienhai Nick Vale seine Frau Pamela verbrannt hat. Er muss es nur beweisen. Auf dem Spiel steht der letzte unberührte Strand im Süden. Harter Fight zwischen dem alten Kalifornien und der Gier-und-Gang-Moderne. Bravourös.

5

5

(-)

Tana French: Schattenstill

Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

Scherz, 732 S., 16.99 €

Dublin. Zwei Kinder erstickt, Vater erstochen, Mutter lebensbedrohlich verletzt. Familiendrama, Eifersuchtsmord, soziale Ausweglosigkeit? Detective Kennedy glaubt sich seiner Methoden sicher. Bis die Selbstgewissheit auf schieren Wahnsinn trifft. „Auch ein Guter kann zerbrechen.“

6

6

(9)

Michael Robotham: Der Insider

Aus dem Englischen von Kristian Lutze

Goldmann, 540 S., 14,99 €

Irak/London. Immer dem Geld nach! Im Irak haben Bankräuber Milliarden Dollar Aufbauhilfe beiseite geschafft. Zu wem? Wer deckt sie? Ein Journalist im Irak bohrt nach. Derweil rettet Ex-DI Ruiz Trickbetrügerin Holly Knight vor MI6/CIA. Exzellent. Böse Realität nur leicht fiktionalisiert. Robotham: Weltklasse!

7

7

(1)

Fred Vargas: Die Nacht des Zorns

Aus dem Französischen von Waltraud Schwarze

Aufbau, 454 S., 22,99 €

Paris/Normandie. In Ordebec wurde „Die Wilde Jagd“ gesehen. In der Horde: vier Männer aus dem Dorf. Todgeweiht? Kommissar Adamsberg, genervt vom Mord an einem Finanzmagnaten, folgt fasziniert normannischen Mythen, Ängsten, Intrigen. Nach drei Jahren Abstinenz: der neue Polar Poétique von Vargas.

8

8

(-)

George Pelecanos: Ein schmutziges Geschäft

Aus dem Englischen von Jochen Schwarzer

Rowohlt, 384 S., 9,99 €

Washington, D.C. Irakveteran Spero Lucas sucht verschwundene Dinge und stößt auf üble Vorstadtgangster. Ein braver Junge wird Augenzeuge eines Verbrechens. Spero hilft ihm. Nicht mit Lektüre, wie sein Bruder, der Lehrer. Mit Gewalt. Pelecanos webt an der Sozialgeschichte der USA im 21. Jahrhundert. Neue Serie.

9

9

(7)

David Ignatius: Der Deal

Aus dem Englischen von Thomas A. Merk

Rowohlt, 478 S., 9,99 €

Pakistan/USA. US-Drohne pulverisiert Familie in Waziristan: Trouble für Obamas allergeheimsten Geheimdienst. Der kauft Terroristen den Schneid ab, mit massenhaft Geld. Störend realistisches Szenario des Washington Post-Kolumnisten Ignatius. So wird in der Finanzkrise Terrorismus bekämpft.

10

10

(3)

Matthew Stokoe: High Life

Aus dem Englischen von Joachim Körber

Arche, 448 S., 19,95 €

Los Angeles. Jack will ein vollkommenes Geschöpf werden, einer wie Brad Pitt. Der Mord an seiner Frau Karen wird zum Start seiner Karriere. Vorgeblich auf der Suche nach dem Mörder, partizipiert Jack als Stricher, Lover, Killer voll am High Life: Snuff und Brutal-Sex inklusive. Nicht so raffiniert wie American Psycho, aber bös.

 

 

Info:

Rund 1200 neue Kriminalromane erscheinen pro Jahr in Deutschland. Selbst ausgefuchste Leser verlieren angesichts dieser Masse den Überblick. Orientierung bietet aktuell die Mai Ausgabe der KrimiZeit-Bestenliste von ZEIT und NordwestRadio. 

Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht. 

Vorgestellt wird sie ab 5. Juli in den Literatursendungen des NordwestRadio ( mit Tobias Gohlis)

http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html unter www.zeit.de mit Kurzrezensionen der Juroren, Kommentaren des Jurysprechers („What’s New?“) und weiteren Informationen zu Büchern und Autoren („Krimiautoren A-Z“)

 in der Wochenzeitung DIE ZEIT am 5. Juli 2012



Monatlich wählen achtzehn auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt über 1200 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.

 Die Jury setzt sich zusammen aus: 

Tobias Gohlis, Hamburg, Kolumnist DIE ZEIT, Moderator und Jury-Sprecher der KrimiWelt

Volker Albers, Hamburg, Hamburger Abendblatt, Herausgeber „Schwarze Hefte“
Andreas Ammer, Berg, „Druckfrisch“, Dlf, BRGunter Blank, Sonntagszeitung

Thekla Dannenberg, Perlentaucher
Fritz Göttler, München, Süddeutsche Zeitung
Michaela Grom, Heidelberg, SWR
Lore Kleinert, Bremen, Radio Bremen
Thomas Klingenmaier, Stuttgart, Stuttgarter Zeitung
Kolja Mensing, Berlin, Tagesspiegel
Ulrich Noller, Köln, Deutsche Welle, WDR
Jan Christian Schmidt, Berlin, Kaliber 38
Margarete v. Schwarzkopf, Köln, NDR
Ingeborg Sperl, Wien, Der Standard
Sylvia Staude, Frankfurt/M., Frankfurter Rundschau

Jochen Vogt, Elder Critic, NRZ, WAZ
Hendrik Werner, Bremen, Weser-Kurier
Thomas Wörtche, Berlin, Kolumnist, Plärrer , culturmag, DRadioKultur





In der Regel kommentieren wir die von der Jury neu plazierten Krimis. Alle weiteren plazierten Krimis der Vormonate entnehmen Sie bitte unseren Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie unter Kultur. Bücher oder unter dem Autorennamen im Archiv finden. Viermal darf inzwischen ein Buch einen Platz bekommen, dann scheidet es aus und hat nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die Ende Dezember herauskommt und die wir für 2011 ebenfalls kommentierten. 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/312-bester-kriminalroman-des-jahres-wird-qroter-glamourq-von-ariadne-im-argument-verlag

Die Einzelbesprechungen zu Fred Vargas:

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/546-wir-sind-suechtig

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/547-mehr-vom-skurrilen-personal

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/590-wer-sie-ist-und-was-die-anderen-ueber-fred-vargas-und-ihre-kriminalromane-sagen



www.zeit.de/krimizeit-bestenliste http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html  

 

 

 







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