raffke dff

INFLATION 1923. Krieg. Geld. Trauma bis 10. September im Historischen Museum Frankfurt, Teil 5

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Man kann diese Filmreihe, die die Inflationsausstellung im Historischen Museum auf der Leinwand unterfüttert, nur loben. Mal ganz abgesehen vom Thema und den Filmen gehört das Filmmuseum zu den Frankfurter Institutionen die ihren Auftrag der Vernetzung besonders ernst nimmt. Was man nicht von allen Institutionen sagen kann, nicht mal von den meisten.

 

Das einmal grundsätzlich. Für diese Filmreihe gilt zudem, daß sie durch das Jahr 1923 in die Zeit der Stummfilme fällt, die ja durch Musik verlebendigt wurden, meist durch Originalmusik vor der Leinwand, was das Filmmuseum durch ein Klavier und einen Pianisten möglich macht. Das ist nicht selbstverständlich, wie der warme Applaus durch das Publikum deutlich macht. Und das DFF hat auch keine Kosten gescheut und aus Berlin einen Experten geholt. Ph. Stiasny , der seine Studien zum Film schon in: Filmblatt, 55/56) veröffentlicht hatte. Aus gutem Grund, denn diese Geld-Inflations-Filme sind vom Bundesarchiv Berlin und wurden vom Zeughauskino zusammengestellt und die Informationen waren für das Zuschauen nützlich. Andererseits erklärt sich der Film von selbst.

Zum Film:

Der Titel FRÄULEIN RAFFKE ist eigentlich irreführend, denn es müßte heißen: Der Kriegsgewinnler Raffke oder der Oberkapitalist Raffke. Aber sicher lockt ‚Fräulein‘ im Titel stärker, noch dazu mit einem Begriff, den man als raffen sofort mit Geldanhäufen identifiziert. Und so bleibt das Fräulein Raffke, die Lilli (Lee Parry) heißt, auch eine hübsch anzusehende Nebengeschichte, wobei es eher um ihre Hand als um sie selber geht. Die begehrt nämlich der Baron Egon von Geldern (Hans Albers), ein verarmter Adliger, dem das Drehbuch fieserweise im Namen das Geld läßt. Seltsam, der junge Hans Albers wurde von mir immer als Hans Söhnker (1903-1981) gesehen, den heutige Filmenthusiasten schon kaum mehr kennen, der aber in der Nachkriegszeit ein wichtiger Schauspieler war. Hans Albers (1891-1960) also, der mit klangvollem Namen dennoch windig auftritt. Mein Gott ist er jung, den wir kannten ihn eben auch aus den Filmen der Nachkriegszeit.

Auf jeden Fall kann er Lilli nicht bezirzen, nur ihren Vater Emil Raffke (Werner Krauß) und auch dessen stets nickende Ehefrau (Lydia Potechina). Der hätte halt gerne einen Schwiegersohn mit klangvollem Namen. Geld braucht er nicht. Das hat er selber. Das wird mehr erahnt als bewiesen, womit dieser Raffke reich geworden ist. Ein Schieber, ein Wirtschaftskrimineller, der auf Kosten anderer zum Reichtum kommt, aber so stolz darauf ist, daß er dauernd andere mitsaufen und mitfeiern läßt. Nein, mithuren nicht. Das fällt vielleicht nicht auf, aber den Film durchzieht bei allem Protz des Neureichen eine fast rührende Einigkeit mit seinem Eheweib. Er läßt zwar bei seinen schwülstigen Festen die Revuegirls auftreten und einen Tanz um das Goldene Kalb veranstalten, aber danach geht er mit seinem altgewordenen und aus der Form geratenen Eheweib Hand in Hand ins Bett, das deshalb luxuriös ist, weil er das Schloß eines verarmten Adligen aufgekauft hat, mitsamt Plüsch und Plunder.

Lilli auf jeden Fall lehnt diesen Mitgiftjäger ab, auch deshalb, weil sie längst ihr Herz an den ehrenwerten, aber mittellosen Harry Hardt (Paul Grune) verloren hat, einen einfachen Angestellten. Und da sie nicht dumm ist, weiß sie, wie sie das Verlobungsfest, das ihr Vater gegen ihren Willen veranstaltet, desavouieren kann: sie heiratet heimlich Harry. Das ist als Affront Raffke zuviel, er verstößt sein Kind, auch als diese schwanger wird und ihr Kind bekommt.

Paul erkrankt schwer, er kann nicht mehr arbeiten, das war ohne soziales Netz wie heute, ökonomisch ein Todesurteil. Er kommt bei Verwandten unter und kann langsam genesen. Als ihr Kind fast verhungert, wendet sich Lilli an den Vater, der eine Hilfe davon abhängig macht, daß sie Paul verläßt. Sie weiß nicht weiter, geht ins Wasser, wird aber - eine seltsame Wendung – ausgerechnet von Baron von Geldern gerettet, der sich von ihr eine Belohnung erhofft, die er nicht bekommen wird.

Erst jetzt kommt die rauschende Ballnacht, der oben erwähnte Tanz um das goldene Kalb, es mag auch ein Stier als Zeichen von Börse/Geld sein, aber der Höhepunkt ist ein Schuß. Denn wir haben die ganze Zeit die Tänzerin Tatjana (Vivian Gibson) verschwiegen, die heimlich die Geliebte des Barons ist und toll vor Eifersucht auch. Mit dem dramatischen Ausruf wirft sie danach dem Raffke als Verursacher ihrer Pein vor: „Ihr Geld hat ihn mir genommen.“

Das nimmt dem Raffke den Wind aus den Segeln, er stimmt der Ehe der Tochter zu und als die Raffkes die kleine Familie im Armenviertel besuchen, da greift Raffke erneut nach der Hand seiner Frau und spricht sentimental, aber zutreffend aus, daß die beiden da auch mal angefangen hatten und eigentlich sehr glücklich waren.

Die Rezeption des Films im Oktober 1923 fiel genau in die Hyperinflation. Es mußten also Milliarden und mehr für eine Kinokarte ausgegeben werden. Inhaltlich wurde die Leistung von Werner Krauß herausgestellt, die aber schon im Drehbuch angelegt ist. Denn Raffke ist eben ein Schlawiner, der andere an seinem Reichtum teilhaben läßt, und irgendwie so primitiv bleibt, wie er ist, sich also nicht verbiegt und auf vornehm macht, sondern im besten Sinn ein volkstümlicher Kerl bleibt. Das bringt das Menschliche im Film stärker in den Vordergrund, als es die Fies-, ja Gemeinheiten, das Fallenlassen der Tochter und des Enkels doch eigentlich gebietet.

Der Film wurde ein großer Publikumserfolg.

Foto:
©dff.film

Info:
FRÄULEIN RAFFKE, Deutschland 1923, 105 Min. 35mm. o.D.

Stab
Regie Richard Eichberg
Drehbuch Helmuth Ortmann, Hans Behrendt
 
Einführung: Philipp Stiasny
Klavierbegleitung: Florian Hauck
Filmreihe: Inflation im Kino der Weimarer Republik

Darsteller
Werner Krauß: Emil Raffke
Lydia Potechina: Seine Frau
Lee Parry: Lilli Raffke
Harry Hardt: Paul Grune
Vivian Gibson: Tänzerin Tatjana
Hans Albers: Baron Egon von Geldern
Max Grünberg: Pauls Sozius
Heinrich Peer
Loni Nest: Kind

Filmvorführung FRÄULEIN RAFFKE am 9.5. 18 Uhr im DFF
Ausstellung: 

Inflation 1923. Krieg, Geld, Trauma, bis 10. September 2023, Historisches Museum Frankfurt

Katalog:
Hrsg.: Nathalie Angersbach und Frank Berger, INFLATION 1923. Krieg, Geld, Trauma, Historisches Museum Frankfurt, Henrich Verlag 2023


Serie in WELTEXPRESSO

Teil 1
https://weltexpresso.de/index.php/kulturbetrieb/28345-eine-ausstellung-zur-rechten-zeit

Teil 2
https://weltexpresso.de/index.php/kulturbetrieb/28346-das-jahr-1923-und-die-hyperinflation-cui-bono

Teil 3
https://weltexpresso.de/index.php/kino/28359-begleitende-filmreihe-im-kino-des-dff-von-dienstag-2-mai-bis-dienstag-30-mai