Zum 27. Januar, dem Denk- und Gedenktag an die Opfer der nationalsozialistischen Vernichtung, Verbrennung, Ermordung und ihrer Befreiung durch die Rote Armee, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wir wollen hier jetzt nur auf das öffentliche und private Fernsehprogramm in Deutschland am heutigen Tag aufmerksam machen. Denn hier, wo auch eine Masse, nämlich die Masse der Deutschen vor den Bildschirmen und Leinwänden ihre Zeit des Abends verbringt, entscheidet sich eben auch, wie es Deutschland heute mit Auschwitz, mit seiner Befreiung und er Aufarbeitung deutscher Geschichte hält.

 

Durchwachsen!“, muß die Antwort sein. Auch, wenn keine der beiden öffentlichen Hauptsender zur besten Sendezeit etwas zum 71. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee bringt und auch in den Talksendungen – Maischberger im Ersten, Lanz im Zweiten – Auschwitz keine Rolle spielt, so hauen ARTE und 3 SAT wieder einmal die Öffentlichen raus. In ARTE gibt es um 20.15 Uhr erst einmal LORE. Ich fand das einen angenehmen Film über 1945, wo die Kinder eines verhafteten Nazi-Paares unter der Obhut der ältesten Schwester – Lore eben – sich auf den Weg durch das zerstörte Deutschland zur Oma an die Nordsee machen. Dann kommt um 22 Uhr CLAUDE LANZMANN – STIMME DER SHOAH, ein Dokumentarfilm über diesen unnachgiebigen Franzosen, der vor 30 Jahren mit seinem Film SHOA, in dem er nach der Wahrheit über den Holocaust sucht, der Welt deutlich machte, daß sie nach der Offenlegung des Grauens nie mehr zurückkönnte in einen Zustand des Nichtwissens.

 

3 SAT bringt um 20.15 Uhr ICH FAHRE NACH AUSCHWITZ, einen Dokumentationsfilm, den wir nicht kennen und um 21 Uhr den Film AUSCHWITZ VOR GERICHT, einen Film über die Auschwitzprozesse in Frankfurt von 1963-65, dem ersten Prozeß gegen nationalsozialistisches Morden und gegen Judenvernichtung. Dazu wurden 360 Zeugen gehört, 211 waren Überlebende von Auschwitz, die vor Gericht ihre Peiniger wiedersahen, die selbstsicher auftraten und ein Gehabe an den Tag legten, als ob sie die Vertreter des Rechts seien. Unglaublich alles, aber wahr. Die Mitschnitte vom Prozeß sind auch auf Tonträgern erhältlich. Und natürlich kommt man direkt auf Fritz Bauer zu sprechen, den Hessischen Generalstaatsanwalt, ohne den es die Auschwitzprozesse nicht gegeben hätte. An Fritz Bauer erinnert in vielen Aufnahmen von ihm und politischen Wegbegleitern der Film von Ilona Ziok, den wir immer wieder erwähnen, weil er grundlegend ist und die politische Person Bauer einem derart nahebringt, daß man menschlich seinen Mut und seine Unnachgiebigkeit bewundern lernt. Beispielhaft. Der Mann und der Film FRITZ BAUER-TOD AUF RATEN.

 

Da sieht man, wie schnell man schon zufrieden ist, überhaupt etwas gefunden zu haben, denn das Wissen, daß ARD und ZDF schweigen, macht unfroh. Vielleicht hat das Erste diese Pflicht zur Aktualität an die dritten Programme weitergegeben. Aufs Erste Fehlanzeige. In Hessen gibt’s zwar ELEMENTARTEILCHEN, aber nichts elementar Politisches. Im WDR nur Terror, ach ja, und um 0.10 NIE WIEDER THERESIENSTADT! Auch im SWR tote Hose, ach, auch hier um 23.25 SIR NICKY – HELD WIDER WILLEN, ein Doku-Film, wie ein Brite Kinder vor den Nazis rettete.

 

Weder im MDR, noch im RBB oder NDR fanden wir was – die ganzen Privaten können Sie hier sowieso vergessen – , aber Bayern rettet hier die dritten Programme: immerhin schon um 22 Uhr wird ausgestrahlt ÜBERALL WAR DER TOD – vom Leiden und Sterben im KZ Flossenbürg.

 

 

Info:

 

Wenn Sie Filme und Dokumantationen über das Dritte Reich, Judenverfolgung und Massenmord suchen, schauen Sie als Erstes bei absolut Medien nach!! Für seinen berühmten Film SHOA hatte Claude Lanzmann ein langes Interview mit Benjamin Murmelstein geführt, der der einzige überlebende 'Judenälteste' und letzte Vorsitzender des Judenrats aus dem Ghetto Theresienstadt ist. Das Interview ist so lange, daß es in der damaligen Konzeption des Films einfach keinen Platz fand, weshalb Lanzmann es nun nach 30 Jahren als eigenen Film vorlegt. Wen die Geschichte der österreichischen Juden besonders interessiert, der muß sich den Film DER LETZTE DER UNGERECHTEN einfach anschauen, der im Mai 2015 auf DVD in Farbe und mit 210 Minuten herauskam.

 

Von den gegenwärtigen Spielfilmen zu Fritz Bauer raten wir eher ab. Aber zwei Filme gehören ins Grundrepertoire, wenn es um Auschwitz, die gerichtliche Aufarbeitung sowie Bauer geht. Ilona Zioks profunder Film FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN, 2010 auf der Berlinale uraufgeführt und seitdem Kassenschlager auf der ganzen Welt und die ebenfalls bei absolut Medien erschienenen DVDs vom Fritz Bauer Institut: Fritz Bauer: Gespräche, Interviews und Reden aus den Fernseharchiven 1961-1968. Abgesehen von dem tiefen Eindruck, den Fritz Bauer auch heute noch durch seine spürbare Menschlichkeit macht, sein Interesse am sozialen Lernen der neuen Generation, seinen Blick nach vorne auf eine bessere Gesellschaft, die nur möglich ist, wenn man mit dem alten Mist aufräumt, sind diese Zeitdokumente von so hohem kulturgeschichtlichen Wert, daß wir diese beiden DVDs für etwas ganz Besonderes halten. Der Einzug der Medien in die Steinzeit in gewissem Sinn.

 

 

 

Die ausführliche Besprechung des Films über Levi: DIE ATEMPAUSE in Weltexpresso

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6073:der-letzte-film-von-francesco-rosi-dem-die-hommage-gilt&catid=79&Itemid=471

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6074:die-atempause&catid=79&Itemid=471