Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – In Frankfurt am Main ist an dem früheren Wohnhaus von Rose Schlösinger in der Münzenbergerstraße 4 eine Bronzetafel mit ihrem Porträt zu ihrem Gedenken angebracht. Nach ihr ist außerdem die Parkanlage am Bornheimer Hang in Frankfurt-Bornheim benannt. Und am 1. September 2018 wurden an ihrem ehemaligen Wohnort, Berlin-Mitte, Sebastianstraße 42, Stolpersteine für sie und Bodo Schlösinger verlegt. Jetzt geht es um die zweite Frau im Widerstand, die in der Paulskirche herausgehoben wurde.
Johanna Kirchner wurde am 24. April 1889 in Frankfurt am Main geboren und am 9. Juni 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet/ermordet. Sie ist in Frankfurt auch deshalb bekannter, weil sie schon früh mit der SPD und ihrer sozialdemokratischen Familie im Rücken sich in die gesellschaftlichen Belange der Stadt einmischte und die Vergabe der Johanna-Kirchner- Medaille ihr Andenken lebendig hielt. Tatsächlich trat sie schon mit 14 Jahren der Sozialistischen Arbeiter-Jugend bei. Sie heiratete zwei Mal und hatte zwei Töchter. Ihre beste Freundin war Lore Wolf, die auf kommunistischer Seite den Widerstand lebte. Beide mußten unmittelbar nach der Machergreifung Hitlers Frankfurt, d.h. Deutschland verlassen und gingen in das damals französische Saarland. Ab da mußte Johanna Kirchner vor den Nazis weiterfliehen, die erst 1935 das Saarland Deutschland eingliederten, dann in Frankreich einmarschierten, wohin Johanna Kirchner geflohen war, dort das Vichy-Regime errichteten, das 1942 Johanna Kirchner an die Gestapo auslieferte.
Und jetzt kommt das Unglaubliche. Sie wurde wegen Landesverrats ‚nur‘ zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, doch 1944 wurde ihr Verfahren auf Wunsch Hitlers vom Volksgerichtshof erneut aufgenommen, mit der Umwandlung des Urteils am 20. April 1944: Todesstrafe beendet.
Erinnerungen an sie in Frankfurt und anderswo
1947 wurde eine in der Siedlung Westhausen in Frankfurt am Main gelegene Straße in Johanna-Kirchner-Straße umbenannt.
Ebenso existiert in Saarbrücken und in Wallenhorst (bei Osnabrück) eine Hanna-Kirchner-Straße und in München ein Hanna-Kirchner-Weg.
In Bremen wurde im April 2019 der neu erschlossene Johanna-Kirchner-Weg nach ihr benannt.
In der Nähe der Hinrichtungsstätte Plötzensee wurde 1962 der Kirchnerpfad nach ihr benannt.
Von 1991 bis 1995 verlieh die Stadt Frankfurt am Main die „Johanna-Kirchner-Medaille“ an Menschen, die zwischen 1933 und 1945 Widerstand geleistet und/oder Verfolgten geholfen haben.
An der Frankfurter Paulskirche erinnert eine Gedenktafel an die Ermordete. a Kirchners Widerstand und ihre Hinrichtung durch die Nationalsozialisten stehen stellvertretend für weitere mutige Frankfurterinnen und Frankfurter. Deshalb verlieh die Stadt von 1991 bis 1995 die Johanna-Kirchner-Medaille an 147 Menschen, die zwischen 1933 und 1945 Widerstand geleistet und Verfolgten geholfen hatten.
In Saarbrücken trägt das Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt (in der Trifelsstraße) den Namen „Johanna-Kirchner-Haus“.
Seit 2011 vergibt die Arbeiterwohlfahrt und die Fachhochschule Frankfurt den Johanna-Kirchner-Preis in Höhe von 1000 Euro an den Verfasser einer Abschlussarbeit in den Themen Altenhilfe, Kinder- und Jugendarbeit oder Straffälligenarbeit.
Am 5. Juli 2012 wurde in Saarbrücken in der Bahnhofstraße in Höhe der Hausnummer 80 ein Stolperstein zu Ehren von Johanna Kirchner platziert. Den Stolperstein verlegte der Künstler Gunter Demnig.
lt. Wikipedia
Auch das Historische Museum der Stadt ehrt die Frankfurter Widerstandskämpferin mit einer kleinen Ausstellung, in der die Stoffherzen hängen, die sie in der Zelle für ihre Töchter fertigte. Ihr Abschiedsbrief an ihre Töchter Inge und Lotte wurde ebenfalls verlesen, der endet: : „Werdet glücklich und seid tapfer, es kommt eine bessere Zukunft für Euch [...]. Lebt wohl!“
Das Lied von den Moorsoldaten
In Berichten über gesellschaftlich relevante Veranstaltungen kommen immer die musikalischen Einleitungen und der musikalische Ausklang zu kurz, für die diesmal die Cellistin Cornelia Walter ihr Cello sprechen ließ. Mit den Bach-Suiten Nr. 1 und 2 fing die Gedenkstunde an und endete, aber zusätzlich brachte die Cellistin Improvisationen, von denen heute die erste eigentlich als Nationalhymne des Widerstands gilt: WIR SIND DIE MOORSOLDATEN, nach der Musik von R.Goguell. Jedesmal, wenn ich dies Widerstandslied höre, muß ich an die denkwürdige und darum berichtenswerte Situation im Hessischen Kulturministerium denken, in der der damalige Kultusminister, spätere Finanzminister Hans Krollmann in einer Sitzung des Rahmenrichtlinienbeirats einen Pflock setzte. Dieser Beirat sollte im Vorfeld die in Hessen virulenten Widerstände gegen die SPD- Lehrpläne im vorparlamentarischen Raum sachlich klären, weshalb alle wichtigen, mit Schule verbundenen Institutionen eingeladen wurden. Ich nahm für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) teil, die natürlich besonderes Interesse an der Fortschreibung der Lehrpläne hinsichtlich demokratischer Inhalte hatte. Die damaligen, sehr konservativen, ja reaktionären Elternvertreter, verlangten, von der CDU-Opposition unterstützt, eine massive Einschränkung des Lehrplans bezüglich Nazi-Deutschlands für die Oberstufe. Dies verbrauche zu viel Unterrichtszeit.
Mitten hinein in das sinnlose Hin- und Herargumentieren, fing auf einmal der Sitzungsvorsitzende, Kultusminister Krollmann, an, das Lied von den Moorsoldaten zu intonieren. Er fing nicht nur an, sondern sang unter dem Abebben des Geräuschspegels, dann bei völliger sonstiger Stille das Lied zu Ende. Anschließend wurde einstimmig die Vorlage, also der Beibehaltung des Schwerpunkts Nationalsozialismus in den Kursstrukturplänen für die Oberstufe, bejaht.
Auch unser Autor Kurt Nelhiebel wünschte, daß doch nach Wolf Biermanns ERMUTIGUNG zur deutschen Einheit auch mal die MOORSOLDATEN im Deutschen Bundestag erklingen sollten, als öffentliche Anerkennung des durch Kommunisten geleisteten Widerstands der Nazi-Diktatur . Und dann geschah es: Dies Lied wurde sogar offizielles Programm der Ehrenstunde am 28.Januar 2016 im Deutschen Bundestag zur Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee: das LIED VON DEN MOORSOLDATEN.
Eine musikalische Erinnerung per Cello. Besser als nichts. Aber dachten wir, wenn Singen wieder erlaubt ist, sollte auch der Text in der Paulskirche ertönen. Er gehört dorthin.
Anschließend, das ist immer bewegend, wurde gemeinsam das Mahnmal für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aufgesucht, an der Ecke der Paulskirche auffällig angebracht, darüber die Gedenktafel für Johanna Kirchner. Dort wurden für die Opfer der in über 70 nationalsozialistischen Stätten, die alle verlesen wurden, umgebrachten, in den Tod gequälten, verhungernden, mißhandelten, gefolterten Menschen, gleichviel rote Rosen verteilt.
Elisabeth Abendroth hatte eine eigene Rose mitgebracht, eine gelbe, die sie über der Tafel von Johanna Kirchner ablegte, was man auf unserem Titelfoto sieht. Ihr Vater, der 1985 verstorbene Marburger Professor Wolfgang Abendroth, für uns damals politischer Mentor, hatte sich über die Zusammenarbeit der Frauen und Männer des Widerstands auf sozialdemokratischer und kommunistischer Seite positiv geäußert als „die Einheit der Arbeiterbewegung in der antifaschistischen Arbeit“. Darüber müßten sich heute, in einer anderen Gesellschaft, Parteien wie SPD, Linke und Grüne mehr als nur Gedanken machen.
Fotos:
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Info:
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