hwk grimm birstein 7563Der kleine Bruder als Thema im Musical und der Bildenden Kunst

Hanswerner Kruse

Birstein (Weltexpresso) - In diesen Wochen erreichte die Wanderausstellung „Jedes Gemälde beginnt mit dem ersten Strich“ ihre zweite Station in Birstein. Nach dem Steinauer Grimm-Haus sind nun hier die Arbeiten der 19 Künstlerinnen und Künstler der Region zu sehen, die sich in diesem Jahr mit dem Maler Ludwig Emil Grimm (1790 - 1863) auseinandersetzen.

hwk grimm birstein 7530Im letzten Jahr hatte das Musical „Der wilde Grimm“ seine Premiere in Birstein. Hier verliebte sich Emil seinerzeit unsterblich in die Gräfin von Wächtersbach, aber die Liebenden konnten die Standesgrenzen nicht überwinden. Parallel zur Erstaufführung des Stücks stellte das Grimm-Haus 40 Bilder des immer im Schatten seiner Märchenbrüder stehenden Malers Emil für eine gleichzeitige Ausstellung zur Verfügung. Zur Wiederaufnahme des Stücks in diesem Jahr organisierten Burkhard Kling (Grimm-Haus) und Britta Schäfer-Clarke (künstlerische Leitung) diese Ausstellung in Steinau und Birstein, die demnächst auch nach Gelnhausen kommt.

hwk Schott Wege ins Wasser klEs war eine glanzvolle Vernissage am Vorabend der Premiere des Musicals über Emil, in der Regisseur Axel Brauch im Dialog mit der singenden Birsteiner Gräfin (Daliah Stingl) den verliebten Maler gab. Museumsleiter Kling sprach über die unerfüllbare Sehnsucht der Romantiker, der kreative Bäcker und Biolandwirt Wolfgang Schott hielt spontan eine humorvolle Rede. Er selbst hatte mehrere, mit Tusche übermalte Großfotos in die Ausstellung gegeben. Diese Landschaftsbilder mit Wasser und toten Bäumen wurden durch seine grafischen Eingriffe verrätselt. Zugleich legen jedoch seine Titel - etwa „Zwischen den Welten“ oder „Wege ins Wasser“ - Spuren zur Interpretation. Wie einst Emil Grimm versucht Schott, seinem Erleben der Natur eine Form zu geben.

hwk Gorbaty Heimathaus in Steinau klGennady Gorbaty malt im altmeisterlichen Stil surrealistisch verfremdete oder teils abstrahierte Ölbilder. Spontan schuf er „Das Heimathaus in Steinau“ nach einem Besuch im Grimm-Haus. In den Lüften schweben die Märchenbrüder Grimm, hinter ihnen, fast versteckt, zeigt sich Emil. Gorbatys verborgener Realismus müsse durch die Betrachter gefühlt und wahrgenommen werden, heißt es im hervorragenden Katalog zur Ausstellung.

Eine ähnliche, wesentlich größere aber realistischere Arbeit gestaltete die Malerin Simone Höhn mit „Der erste Strich“. Hier sind die älteren, bekannten Brüder im Hintergrund, während Emil uns direkt anblickt und nach seinem ersten Pinselstrich für unsere Abbildung zu suchen scheint. Das Bildnis verweist auf seine Radierung „Selbstbildnis“, zugleich nimmt er direkt Kontakt mit uns in der Gegenwart auf.

Wir können hier nicht alle Arbeiten der Künstlerinnen und Künstler vorstellen, aber einige sollten noch erwähnt werden: Die Zeichnerin INK zeigt die Birsteiner Gräfin Auguste von Wächtersbach, in die Emil einst so schrecklich verliebt war, mit einem herausfordernden Apfel.

Carla Frohnapfels „Fingerhut in Nachbars Garten“ ist nicht einfach nur der Versuch, Pflanzen abzubilden. In einem offensichtlich komplexen Arbeitsprozess trägt sie Farbschichten übereinander auf, schabt Farben wieder ab oder verwischt sie. Dadurch wird der schlichte Fingerhut zu einem geheimnisumwobenen, märchenhaften Objekt.

Interessant sind auch die aus dem klassischen Handwerk geborenen Arbeiten - das Pfefferkuchenhaus der Konditorin Jana Baus oder die Glasobjekte aus anderen Märchen der Grimm-Brüder des Glasbläsermeisters Dieter Hannes. Die keramischen Raku-Objekte von Gerd und Heike Hausen runden diese sehenswerte Ausstellung ab.


Hinweis: 

Weltexpresso hatte mehrfach über den früher völlig unbekannten kleineren Bruder der beiden Gebrüder Grimm berichtet. Wir haben sogar fünf Artikel zu der Buchvorstellung eines wirklich hervorragenden Buches über Ludwig Emil Grimm veröffentlicht. Hier die Links. Die Redaktion

https://weltexpresso.de/index.php/buecher/6189-der-weinselige-goethe
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/6188-nicht-verletzend-aber-spoettisch-schon
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/6187-der-romantiker-aus-dem-sturm-und-drang
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/6186-die-dioskuren-der-hessischen-literaturwissenschaft
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/6059-ludwig-emil-grimm


Fotos der Reihenfolge nach:

Regisseur Axel Brauch und Sängerin Daliah Stingl im Dialog vor einem Objekt Britta Schäfer-Clarks © Hanswerner Kruse
Regisseur Axel Brauch und Sängerin Daliah Stingl im Dialog, Bürgermeister Wolfgang Gottlieb, Britta Schäfer-Clark © Hanswerner Kruse
Wolfgang Schott: Mit Tusche übermaltes Foto (privat)
„Heimathaus-in-Steinau“ von Gennady Gorbaty (privat)






Info:

Ausstellung „Jedes Gemälde beginnt mit dem ersten Strich“ in Birstein (Bürgerzentrum) bis 20. August, dann 26. August - 13. September in Gelnhausen (Ehemalige Synagoge). Der gleichnamige Katalog zeigt sämtliche Werke und lässt alle Künstlerinnen und Künstler im Interview mit Schäfer-Clarke zu Wort kommen. 60 Seiten, 7 Euro. ISBN 978-3-947136-01-8