Hanswerner Kruse & Hannah Wölfel
Venedig (Weltexpresso) - Im Arsenale, am Ende der Ausstellung „Die Milch der Träume“, landet man in einer überraschenden halbdunklen Welt. Precious Okoyomon ließ in einer großen Halle eine hügelige Landschaft aufschütten, in der viel Grünzeug wächst, schmale Bäche fließen und Kieselsteine kleine Inseln bilden.
Aus versteckten Lautsprechern zirpen und quieken elektronisch verzerrte Klänge. In dieser künstlich arrangierten Natur irritieren überlebensgroße dicke Figuren aus fusseligen Wollresten, man erlebt einen traumartigen Grenzgang zwischen Natur und Kunst (Bild oben). Irgendwann kann man wieder nach Venedig kommen, die Biennale geht ja noch bis Ende November, und erfahren, wie sich das Werk verändern haben wird: Die Künstlerin bepflanzte ihre Landschaft mit Kudzu, einer teuflisch schnell wachsenden Lianenpflanze, die im Laufe der Zeit das Arrangement völlig überwuchern wird.
Die Schau im Arsenale beginnt mit der riesigen schwarzen Skulptur von Simone Leigh, die mit einem Goldenen Löwen prämiert wurde (wir berichteten). Auf dem langen Weg durch die alten Werfthallen bis zum künstlichen Garten, faszinieren zahlreiche weitere Skulpturen und Installationen, die in der Wahrnehmung zunächst stark im Vordergrund stehen. Gleich nach Leighs „Brick House“ folgen riesige Tonfiguren, die als „Öfen“ gelten. Delcy Morelos schuf ein Labyrinth aus gepresstem Torf, duftend gemacht durch Beimischung von Zimt und Kadamon. Aus den gut eineinhalb Meter hohen wohlriechenden Blöcken ragen steinerne Säulen, eiserne Treppen und andere Metallkonstrukte der einstigen Nutzung heraus (Bild links).
Nur undeutlich erkennt man dahinter die Installation Emma Talbots „Where do we came from?“ Mit farbigen Malereien auf einer Plane und zwei lebensgroßen weiblichen Figuren versucht sie diese philosophische Frage ästhetisch zu beantworten. Später trifft man auf organisch wirkende Skulpturen von verschiedenen Künstlerinnen, die länglichen Gebilde von Teresa Solar (Bild links) und die bioamorphen Objekte von Marguerite Humeau (Bild unten). Erstaunlicherweise sind mittlerweile auf dieser Biennale die Klischees von männlicher und weiblicher Kunst völlig aufgehoben. „Technisch“ wirkende Skulpturen mit Pumpen, Motoren oder anderen mechanischen Geräten sind längst keine Männerdomäne mehr.
Eindrucksvoll und typisch auch die Installation von Sandra Mujinga, die mit (grünem) Licht arbeitet und ihre Objekte - wie viele Kunstschaffende im Arsenale - auf den gesamten Raum bezieht
Eindrucksvoll und typisch auch die Installation von Sandra Mujinga, die mit (grünem) Licht arbeitet und ihre Objekte - wie viele Kunstschaffende im Arsenale - auf den gesamten Raum bezieht
(Bild ganz unten).
An Mary Shelleys Doktor Frankenstein muss man denken, wenn man auf diverse "Hochzeiten" von Menschen und Maschinen trifft. Der Mediziner wollte ja ursprünglich durch sein künstliches Wesen, das zum Monster geriet, die Menschheit retten. Mit verschiedenen Arbeiten preisen Kunstschaffende diese Verbindung oder warnen vor ihr.
Wir sind mittlerweile in Bolsena, aber unsere Köpfe sind immer noch voller Bilder der Biennale, deshalb werden wir weiter von unseren Rundgängen berichten.
Fotos:
(c) Hanswerner Kruse
Info:
Die 59. Biennale dauert noch bis zum 27. November 2022.
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Bisherige Berichte:
Zum siebten Teil
Zum sechsten Teil
Zum fünften Teil:
Zum vierten Teil
Zum dritten Teil
Zum zweiten Teil
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