herr b achmann

Wiedergesehen, Wiedergelesen, Wiedergehört, Teil 6

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gibt wenig Filme, die in WELTEXPRESSO so oft besprochen oder sonstwie erwähnt wurden wie dieser Film über eine 6. Klasse in Stadtallendorf in Hessen, wo der Zuschauer sinnlich wahrnehmen kann, wie schwierig es ist, Schüler in diesem Alter, verschärft durch Probleme der fehlenden Sprachfähgkeit im Deutschen als Asylantenkinder zu unterrichten und auf welche Weise es Lehrer Bachmann beglückend gelingt.

 

Unten sind die vielen Besprechungen in WELTEXPRESSO, die von mindestens vier unterschiedlichen Autoren stammen im Link aufgeführt. Sie alle geben den Inhalt des Films wider und versuchen eine Analyse des Gesehenen. Wichtig dabei ist, zu verstehen, daß sich die Regisseurin Maria Speth und der Lehrer Dieter Bachmann schon lange kannten, sowohl seine Person wie auch die pädagogische Ausrichtung bekannt waren. Sonst wäre es sicher nicht möglich gewesen, daß ‚gestellte Szenen‘ fast völlig fehlen und man durchgehend – der Film dauert 217 Minuten! und ist keine Sekunde langweilig! - den echten Unterricht und die Lehrer-Schüler-Kommunikation erlebt. Es ist wirklich erstaunlich, wie es Lehrer Bachmann unter Mitwirkung der Klasse gelingt, aus einer Situation, die zeigt, daß Unterricht überhaupt nicht möglich ist, über die Zeit eine echte Lerngruppe ‚zu basteln‘.

Und die Regisseurin sorgt auch dafür, daß man die Zwischenschritte begreift, also Verhaltensänderungen der Schüler sehbar macht, vor allem aber das Verhalten des Lehrers dezidiert vorführt. Und da die Filmkritiker und auch die meisten Zuschauer keine praktizierenden Lehrer sind, ist in all den Lobeshymnen, wie gesagt, zu Recht, überhaupt nicht zum Thema geworden, daß Lehrer Bachmann ein Lehrer ist, der in eigentlich allem das Gegenteil davon macht, was heute in der Lehrerausbildung als Orientierung gilt – und was grundsätzlich auch richtig ist. Das heißt, daß jungen Lehrern vermittelt wird, daß sie nicht ständig Frontalunterricht geben sollen, also einen Unterricht, wo der Lehrer vorne vor der Klasse steht und dieser seine Weisheit erzählt: der Lehrer spricht, die Schüler hören zu, der Lehrer fragt nach, ob der Schüler es verstanden hat, was dieser durch seine Antwort zeigt. Alles läuft im Frontalunterricht über den Lehrer und so läuft auch alles im Unterricht dieses Films über Lehrer Bachmann. 

Stattdessen sollen junge Lehrer die Schüler dazu bringen, miteinander arbeiten zu können, also entweder in Gruppenarbeit an einem Tisch eine Aufgabe gemeinsam bewältigen, in Eigenregie, wer was übernimmt oder in Partnerarbeit selbständig eine Arbeitsaufgabe erledigen können. Das sind die pädagogischen Ziele, die Lehrer Bachmann alle unterläuft. Nach den Bewertungen bei der 2. Staatsprüfung, die solches pädagogisches Handeln fordern, hätte das lehrerzentrierte Verhalten und Handeln von Lehrer Bachmann eine schlechte Note ergeben, bzw. er hätte die Prüfung überhaupt nicht bestanden, obwohl wir ja im Film mitbekommen, wie hilfreich dieser Lehrer für seine Schüler ist.

Wie löst sich dieser Widerspruch auf, löst er sich überhaupt auf? Ja, auf jeden Fall, denn das Entscheidende ist die Authentizität des Lehrers, daß der Schüler den Lehrer einschätzen kann, seine Wertmaßstäbe kennt und Vertrauen aufbauen kann, daß die gesagten Worte so gemeint sind. Dann sind die pädagogischen Methoden nicht mehr so wichtig.Lehrer Bachmann ist halt ein schon ganz schön alter Mann, dem man abnimmt, daß er sich so persönlich verhält und mit jedem Schüler eine Binnenverhältnis aufbaut, das die Grundlage dafür wird, daß sich dann auch die Schüler gegenseitig vertrauen und sich nach und nach als Gruppe, als Gemeinschaft begreifen.

Daß dieser Lehrer Bachmann durchaus auch kritisch gesehen werden kann, daß er nicht nur idealisiert werden muß, sondern auch ‚als alter Sack‘, eitel und selbstgerecht gesehen werden kann, das ist eine Binnensicht derer, die das Unterrichten und wie man es lernt, aus Einzelkindern eine Klasse zu formen, professionell angehen.

Weil aber für diese Schüler, die mit so vielen Problemen in Stadtallendorf in die Schule kommen, ein Lehrer wie Herr Bachmann als die zentrale Person, über die der Spracherwerb und die Lust am Lernen gesteuert wird, genau richtig ist, wirft man gerne alle pädagogischen Erkenntnisse und Forderungen über den Tisch und sagt: Hauptsache, man ist für die Schüler glaubwürdig und Schule und Lernen macht Spaß.

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