Bildschirmfoto 2022 07 26 um 23.45.17Neues aus der WELTEXPRESSO – Krimibibliothek, Teil 10

Elisabeth Römer

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die berühmtesten Krimis über die alte Sowjetunion und das neue Rußland kommen aus den USA und England. Martin Cruz Smith wird im November 80 Jahre, er schrieb sehr viel unter vielen Namen, aber sein großer Erfolg wurde sein Moskauer Ermittler Arkadi Renko, dessen erster Band von 1981, GORKI-PARK, ein Welterfolg wurde, weshalb er ihn weiterermitteln ließ, was als letzten Band auf Deutsch DIE SPUR DES BÄREN brachte, von 2021, übrigens bei Bertelsmann, während es mit dem Scherz Verlag anfing, der inzwischen zu Fischer gehört. Interessant ist, daß Band 1+3 bei Hoffmann und Campe erschien, der 4. und alle folgenden dann bei Bertelsmann. Wir habe als letzten STALINS GEIST in der Bibliothek, der ist immerhin schon 2007 erschienen.

Der zweite, eigentlich der erste, der den Kalten Krieg und damit die UdSSR zum Thema machte, ist John le Carré, unser Hausheiliger! George Smiley bleibt bis zum Schluß, auch noch als M16 Pensionär seine Hauptfigur, wobei der größte Erfolg als Buch und Film DER SPION, DER AUS DER KÄLTE KAM von 1964 war und in der Tat war der Erfolg so einträglich, daß le Carréden Dienst als geheimer Agent der Engländer quittierte und nur noch schrieb.

2021 kamen nun auf Deutsch zwei Rußlandkrimis heraus, die ebenfalls von Engländern geschrieben wurden und beide in St. Petersburg spielen. Doch, das sagt etwas über Putins Rußland aus, daß Petersburg das neue Krimi-Moskau ist. In G.D. Absons TOD IN WEIßEN NÄCHTEN bei Rowohlt Verlag ermittelt die Kommissarin Natalja Iwanowa, während in DER KALTE GLANZ DER NEWA von Ben Creed – bei Knaur -endlich mal wieder ein männlicher Polizist im riesigen Sowjetreich das Sagen hat und den Sumpf trocken legt, allerdings sind wir da schon wieder im Jahr 1951.

In TOD IN WEIßEN NÄCHTEN, übrigens kommt im August der zweite Fall unter dem Titel BLUTROT IST DAS SCHWEIGEN heraus, hat die Kriminalpolizistin Natalja Iwanowa mit vielen Leichen zu tun. Aber jetzt geht sie erst einmal einem Vermißtenfall nach, daß es eine schwedische Studentin ist, hat auch damit zu tun, daß es im Folgenden um organisiertes Verbrechen geht und da tun sich schwedische Oligarchen besser als norwegische beispielsweise. Aber auch er ist nur eine Assistenzfigur für die ruinösen russischen Verhältnisse, die von oben, von der Regierung und dem Inlandsgeheimidenst FSB angeführt werden. Nun ist die Kommissarin nicht alleine, sie hat ein verläßliches Team, das weiß, daß sie Rückendeckung bekommen gegen die Intrigen von oben. Abson braucht eine Kommissarin, die aufrecht, in einer korrupten Gesellschaft nicht korrupt ist und sich was traut, denn sie will den Täter, die Täter finden. Da wird eine komplett verbrannte Leiche gefunden, noch dazu die Handtasche der Schwedin dabei. Aber Natalja ist mißtrauisch, weil alles zu gut zusammenpaßt. Ihre Vorgesetzten dagegen sind mit der Ermittlung allzu zufrieden. Gegen deren Order macht sie weiter....

Spannend am Buch sind die zeitgenössischen Einblicke in das Sankt Petersburg, weshalb man gerne auf die Fortsetzung wartet.

1951 dagegen sind wir bei Ben Creed noch in Leningrad  zu Zeiten des mörderischen Stalin und seinem ihm hörigen Apparat, also auch seiner Miliz. Hinter Ben Creed stecken gleich zwei Autoren, einer davon hat wenigstens zwei Jahre in Petersburg am Konservatorium Musik studiert, was seinen Nutzen hat, wenn mit dem Leutnant Revol Rossel ein Violinist nicht so unterwürfig war, wie es für eine Solokarriere nötig war. Aber seien wir ehrlich, so was verkraftet niemand, es ist also ein innerlich doch leicht gebrochener Kerl, der nun ermittelt und sich schon wieder gegängelt und geleitet fühlt - und auch ist.

Hier geht es gleich um fünf Leichen, die grausam verstümmelt in eigenartiger Anordnung zwischen drei Bahngleisen außerhalb der Stadt drapiert wurden, wo man sogleich an Noten auf ihren Linien denkt: drei Männer, zwei Frauen. Und eine Leiche war Mitglied der Staatssicherheit, womit das Ganze hochpolitisch wird. Ist es eine Tat gegen Beria und die Oberen oder hat hier ein Geheimdienstler die Schweinereien verraten und wurde von den eigenen Genossen liquidiert. Harte Zeiten. Harte Kerle und ein Leutnant, der seinen ewig betrunkenen Chef ersetzen muß. Doch, es strömt aus dem Roman nicht nur eiskalte Luft, sondern viel Lokalkolorit.

Das gefällt, aber gleichzeitig erleben wir genau solche maroden Verhältnisse, wie man sie von der stalinistischen Sowjetunion erwartet. Insofern hat es etwas Wohlfeiles, wenn der nach wie vor kapitalistische Westen über eine Kommunisten-Diktatur schreibt. Das würde man doch gerne von Russen selber lesen, womit wir wieder beim vorherigen Artikel sind, weshalb die originär russischen Krimis bei uns nicht mehr übersetzt und angeboten werden. Traut sich das heute keiner? Auf Russisch zu schreiben, in Deutschland zu übersetzen und zu verkaufen. Das wäre zu billig, zumal es doch tausendfach Exilanten gibt, die das System von innen kennengelernt haben.

Warten wir, wie der zweite Band der Leningradtrilogie DAS DUNKLE LIED DER TOTEN weitergeht, der im Dezember erscheinen soll. 

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Umschlagbild

Info: 
G.D. Abson, Tod in weißen Nächten, Kriminalroman, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Juni 2021
ISBN 978 3 499 00167 3

Ben Creed, Der kalte Glanz der Newa, Der erste Fall für Leutnant Revol Rossel, Thriller, Knaur Verlag, September 2021
ISBN 978 3 426 52662 0

Bisherige Serie
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