VERDERBEN nach Stieg Larsson von Karin Smirnoff, neu auf Platz 10

Serie: DIE KRIMIBESTENLISTE im November 2023, Teil 10

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Na so was! Lange nichts gehört von Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander. Öfter sieht man die Filme im Fernsehen angekündigt. Wer anders als wir am Ball geblieben ist, der weiß, daß VERBRECHEN nun der siebte Milleniumsband ist.

MILLENNIUM, das war die Reihe, die der schwedische Journalist und Schriftsteller Stieg Larsson zwischen 2005 und 2007 in drei Bänden vorgelegt hatte und die auf einen Schlag ein Welterfolg wurde, während der Verfasser schon vor der Drucklegung völlig überraschend mit 50 Jahren starb. Ursprünglich war die Reihe auf zehn Bände angelegt, was sofort an Sjöwall & Wahlöö denken läßt, die ihren Kommissar Martin Beck in den 1960er und 1970er Jahren ebenfalls zehn Mal haben ermitteln lassen. Tatsächlich ist Stieg Larsson auch der Krimi-Schriftsteller, der am stärksten deren sozialkritische Ausrichtung des Kriminalromans fortsetzte.

Ich kann mich noch gut erinnern, welche starken Eindruck diese Trilogie auf mich machte, wo der Journalist Mikael Blomkvist uns so richtig zeigt, was Recherchieren bedeutet und wie gefährlich es ist, den Mächtigen nahe zu kommen und ihre Schandtaten kundzutun und wo diese unglaubliche und zuvor zutiefst gedemütigte Lisbeth Salander, eine famose Hackerin, sich auf eine Weise rächt, wo wir laut dauernd: ja, ja, ja sagten. Und dann die Filme, ich spreche von den original schwedischen mit Noomi Rapace als Lisbeth. Karin Smirnoff macht sich den Spaß und läßt im neuen, dem siebten Roman der Reihe, die Larsson grob skizziert hatte, jemanden nach Noomi Rapace fragen, ohne auf Resonanz zu stoßen. Zwischen dem originalen Larsson und dem jetzigen Band hat dreimal David Lagercrantz die Reihe fortgeschrieben, ohne unsere Beteiligung. Höchste Zeit endlich von VERDERBEN zu sprechen und gleich zu sagen, nicht uninteressant, ziemlich verrückte neue Leute und vor allem im Kern auch endlich wieder sozialkritisch und antikapitalistisch, aber nicht an das Original heranreichend.

Die Geschichte hat vier Grundzüge, die alle in Gasskas in Nordschweden spielen, wohin Mikael Blomquist aus privaten Gründen fährt. Seine Tochter heiratet den Mann, der für den wirtschaftlichen Aufschwung verantwortlich ist, Henry Salo, weil die ganze Gegend eine Windkraftpark werden soll, was den Bewohnern viel Geld für ihre Höfe bringt. Aber auch Lisbeth Salander ist auf dem Weg hierhin, denn sie hat eine Nichte - Vater ist ihr schrecklicher Bruder, der sie im Auftrag des Vaters ermorden sollte, aber selbst dran glauben mußte -, deren Mutter verschwunden ist und die ins Heim kommen soll, aber zuvor ist Lisbeth die einzige, die als Verwandte zuständig ist und darum hinfährt. Sie wird sich über ihre 13jährige, völlig selbstständige und erwachsene Nichte wundern, die nicht nur schmerzunempfindlich ist, was in der väterlichen Familie liegt, sondern clever und gewitzt ist, daß man nur so staunen kann.

Der vierte Strang ist ein durch Contergan in den Rollstuhl gezwungener Mann, Branco, ein schwerreicher Schwede aus Nikosia, der sich vor vielen Jahren die Uhr von Paul Newman für Millionen gekauft hat, und nun König des Windparks werden will, wobei, wenn es nicht mit Geld geht, Gewalt seine Methode der Aneignung ist. So kommt er auf die Idee, als Druckmittel gegenüber Salo, der zwei Besitzer nicht überzeugen kann, an die Gesellschaft für den Windpark zu verkaufen, dessen Stiefsohn Markus, also den Enke von Blomkvist , zu entführen, nachdem schon zuvor die Mutter von Svala, Märta, entführt und im Käfig gehalten wird. Mehr braucht man jetzt nicht zu verraten, auf jeden Fall geht es rund und dieser Branco ist wie die Spinne im Netz der Böse, der sich auf andere schlechte Typen, Männer natürlich!, stützen kann.

Wie es mit Svala und Lisbeth weitergeht, weiß man nicht, aber wenigstens doch, daß zwischen beiden aus gegenseitiger Achtung auch Familiengefühle entstehen. Wie es mit Blomkvist und Salander weitergeht, weiß man auch nicht. Am Schluß verabreden sie sich zu einem Drink, aber mittendrinnen zitiert sich Lisbeth selber, die nie verwunden hat und wir mit ihr, als sie auf dem Höhepunkt der Aufklärung im dritten Band endlich den Avancen von Mikael erliegen wollte, ihn hochgestimmt in seiner Redaktion aufsuchen will und sich rasch versteckt, als sie sieht, wie er mit seiner Chefin und lange Zeit Liebhaberin Berger Arm in Arm aus der Redaktion kommt. Sie hat das nie verwunden und jetzt endet der siebte Band mit einer abendlichen Verabredung beider. Warten wir also auf den achten Band?!

P.S. Weil VERDERBEN nach nur einem Monat im Dezember nicht mehr auf der Liste steht, mußten wir uns mit Lesen und Besprechen beeilen, wozu das Hörbuch hilfreich war, weil wir mit Hören und Lesen schneller durchkamen. Gute Idee, beides zu nutzen.